Wieso große agile Transformationen häufig scheitern - ein Erklärungsversuch

Wieso große agile Transformationen häufig scheitern - ein Erklärungsversuch

Ich habe mir die Frage gestellt, warum es bei der agilen Transformation von großen Organisationen häufig zu großen Problemen kommt. Wieso es oft passiert, dass ganze Transformationen komplett zum Stillstand kommen oder scheitern.

Viele größere Organisationen, die sich zum Ziel gesetzt haben “agil” zu werden, setzen oft auf große Skalierungsframeworks oder ganze Organisationsmodelle (SAFe, Spotify usw.). Von den Beratern wird Ihnen suggeriert, dass es so am Besten geht und man das “relativ schnell” in der gesamten Organisation ausrollen kann. Die Manager springen darauf natürlich an, warum sollte man schließlich nicht auf “Best bzw. Good Practices” zurückgreifen und das Rad neu erfinden. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist das auch erstmal stimmig. Jetzt fängt aber das Dilemma an. Best bzw. Good Practices helfen prinzipiell nur in einem maximal komplizierten Umfeld (vgl. Cynefin-Framework). Organisationen sind aber komplexe, soziale Systeme und verhalten sich nicht deterministisch. Best Practices helfen uns hier also nicht wirklich weiter.

Das Spotify Modell

Leider wird auch häufig verschwiegen, dass Spotify einen langen Weg gegangen ist und sehr viele Dinge ausprobiert hat um an den Punkt zu kommen, an dem sie 2012 waren als sie Ihr damaliges Organisationsmodell der Öffentlichkeit präsentiert haben. Mittlerweile arbeiten sie auch schon gar nicht mehr so, da sie Ihre Arbeitsweise an die neuen Herausforderungen angepasst haben.

Spotifys Erfolg basiert nicht auf dem Tribe Model – das Tribe Model ist so erfolgreich, weil Spotify ein Umfeld entwickelt hat, in dem das Tribe Model zum Erfolg führt. Denn Agilität ist keine Methode. Agilität ist eine Haltung, in der zentrale Werte zeitgemäßer Unternehmensführung gedeihen: Kundenzentrierung, Transparenz, Autonomie, Teamverantwortung und permanente Verbesserung.

Klaus Leopold hat 2017 ein Interview mit Cliff Hazel, Coach Chapter Lead, ein sehr interessantes und aufschlussreiches Interview über das „Spotify-Modell“ und die Arbeit bei Spotify an sich geführt.

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Neben dem Offensichtlichen, dass das Modell dazu geschaffen wurde die Herausforderungen und Probleme zu lösen die Spotify damals hatte, fehlt Organisationen, die komplett darauf setzen auch noch ein essentieller Lernschritt. Wenn Organisationen so transformiert werden fehlt ihnen die Lernerfahrung wie diese Modelle entstanden sind. Diese Modelle sind durch "Inspect & Adapt" entstanden. Durch die Abkürzung haben diese Organisations-Tanker nie gelernt innezuhalten, zu reflektieren und ihren Weg anzupassen. Sie kennen nur die eine Realität und Ihnen fehlen Kreativität, Fantasie und auch das Handwerkszeug um nachjustieren zu können.

Effizienz vs. Effektivität

Aber wieso versucht man eigentlich direkt schon zu Beginn einer agilen Transformation das ganz große Rad zu drehen und gleich große Menschenmassen in vielen Teams gleichzeitig zu agilisieren und das Umfeld sofort zu skalieren? Das Problem fängt mit unsinnigen Werbeversprechen an. Aussagen wie „mit Agilität werdet Ihr schneller“ oder „Doing twice the work in half the time“ wirken hier letztendlich kontraproduktiv.

Agiles Arbeiten dient nicht der Effizienzsteigerung, produziert man den ganzen Tag Unsinn macht es keinen Sinn mehr Unsinn in der gleichen Zeit zu produzieren. Agiles Arbeiten dient der Steigerung der Effektivität! Wir versuchen den Unsinn komplett außen vor zu lassen und uns nur auf die heute wichtigsten Dinge zu konzentrieren.

Man kann es mit einer Leiter vergleichen. Man klettert so schnell wie möglich eine riesige Leiter hoch, die an der falschen Wand steht, mankommt voran, aber nirgendwo hin. Um effektiver zu werden, muss man die Leiter erst an die richtige Wand stellen. Bei Agilität geht es in erster Linie um Effektivität! Wenn man effektiv genug ist, sollte man auch anfangen effizienter zu werden, also so effizient wie möglich versuchen die richtige Wand zu finden.

Der Rahmen muss passen

Dass diese ganzen Versprechen eine grundlegende Basis in der Arbeitsweise brauchen und es nicht damit getan ist, ein paar Teams Scrum überzustülpen, ein Skalierungsframework einzuführen und dann einfach so weiter arbeiten wie bisher wird gerne einfach übersehen bzw. nicht richtig kommuniziert oder sogar verschwiegen.

Es ist nicht ausreichend, eine neue Arbeitsweise einzuführen ohne eine Anpassung des Organisationsrahmen mit all seinen Prozessen vorzunehmen. Die agilen Teams müssen diese Prozesse und Rituale aus der alten Welt bedienen. Der Rest der Organisation versteht nicht warum die agilen Teams tun was sie tun. Das sorgt auf Dauer nicht nur für extremen Frust sondern auch dafür, dass man genau das Gegenteil von dem erreicht was man eigentlich wollte - agiler und schneller werden. Plötzlich hat man das Schlechte aus beiden Welten verheiratet und es kommt zum kompletten Stillstand.

Start with why

Ein möglicher Ausweg daraus ist es, bewusst nochmal zwei Schritte zurück zu gehen und Antworten auf folgende Fragen zu finden:

  • Wieso wollen wir eigentlich agil arbeiten?
  • Welche Probleme, die wir heute haben, wollen wir mit Agilität lösen?
  • Welche Ziele wollen wir erreichen?
  • Was sind wir tatsächlich bereit an unserer Arbeitsweise, an unserer Organisation, Prozessen und nicht zuletzt an uns selbst zu verändern?

Wenn diese Fragen beantwortet wurden sollte der Weg, der gegangen werden soll direkt wesentlich klarer werden. Der Hauptfokus sollte darauf liegen in kleinen Schritten sich auf diese Ziele / Antworten zu zu bewegen. Dabei regelmäßig innezuhalten um zu schauen wo man aktuell steht und ob die Antworten auf die Fragen immer noch die gleichen sind. Also wirklich agil Vorgehen und ergebnisoffen die eigene Organisation zu entwickeln. Hierzu bedarf es Cultural Safety. Also einer Firmen-Kultur in der Try and Error erlaubt und erwünscht ist. Denn nur dadurch können die gangbaren von den nicht gangbaren Wegen unterschieden werden. Und so kann das jeweils maßgeschneiderte Organisations- und Vorgehensmodell gefunden werden.

Fazit

Man kann sich von Spotify, SAFe und anderen Firmen / Organisationen inspirieren lassen aber bitte nicht einfach nur kopieren.

Ist die agile Transformation ins Stocken gekommen? Brauchst Du einen Blick von Außen oder einen Sparringspartner um den richtigen Weg zu finden?

Beitragsbild von chuttersnap auf Unsplash

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